Lange Zeit war es am südlichen Stadtrand von Wahlstedt – zumindest um den Kiesabbau – still geworden. Nun soll es wieder losgehen:
Die Fa. Wegener, ein Großkonzern in Sachen Baustoffe, hat einen Antrag gestellt. Sie möchte bis zum Jahr 2035 jährlich 100.000 t Kies aus der Kiesgrube Wahlstedt schürfen.
Auf den ersten Blick sehen die Antragsunterlagen makellos aus – Gutachten zu Lärm- und Staubentwicklung, ein artenschutzrechtlicher Fachbeitrag und Umweltverträglichkeitsgutachten (UVG) liegen vor und verheißen kein Ungemach. Es würden alle Grenzwerte und Auflagen erfüllt, die Kiesgrube schrittweise renaturiert, alle Eingriffe ausgeglichen. Bei oberflächlicher Betrachtung: ja.
Doch schaut man etwas genauer hin, stellen sich viele Fragen. Um die Problematik um diesen Antrag zu verstehen, muss man in die Vergangenheit schauen.
Ursprünglich einmal sollte der Kies in Trockenbauweise gewonnen werden, doch – was für ein „Pech“ – durch die zu tiefe Schürfung wurde eine Grundwasserader getroffen, und fortan musste der Kies in Nassbauweise gewonnen werden. Ein Umstand, der hier natürlich nur zufällig ein Vielfaches an Profit versprach. Die Abbaugenehmigung aus dem Jahre 2005 für die Fa. Papenburg AG beinhaltete eine Befristung auf fünf Jahre. Diese Befristung erfolgte, um die Renaturierung sicherzustellen.
Während der Abbauphase kam es zu erheblichen Lärmbelastungen für die angrenzenden Wohngebiete.
Doch einige Jahre später wurde die Kiesgewinnung eingestellt, ohne dass mit der Renaturierung begonnen wurde.
Zwischenzeitlich erhielt die Firma anscheinend sogar eine Abbauverlängerung bis Ende 2020. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Fa. Wegener – inzwischen Rechtsnachfolger der Fa. Papenburg – nicht einen einzigen Schritt der Renaturierungsmaßnahmen, wie sie in der Abbaugenehmigung vorgeschrieben sind, umgesetzt.
Die Firma Wegener möchte nun die Kiesgrube um weitere 15,7 ha erweitern.
Der Kreis Segeberg will mit diesem Antragsverfahren dem Konzern ermöglichen, weitere Millionen Euro zu verdienen, anstatt die Renaturierung endlich durchzusetzen.
Zwischenzeitlich hat die Natur längst begonnen, dieses Gebiet zurückzuerobern. Biotope sind entstanden, seltene Pflanzen und Tiere (Vögel z.B.) haben hier eine neue Heimat gefunden.
All dies soll nun wieder zerstört, später „ausgeglichen“ werden. Dieser sogenannte Ausgleich existiert allerdings nur auf dem Papier, zulasten der Biotope und Knicks soll überwiegend die Wasserfläche vergrößert werden (vgl. UVP) ! Ein Ausgleich „light“ sozusagen, mit deutlich reduziertem Umfang.
Noch zynischer ist die häufig gebrauchte Formulierung, die Eingriffe in die Natur wären ja nur auf ein geringes Maß begrenzt, da diese Abbaugenehmigung einen Verzicht auf den Abbau auf einer zweiten, westlich gelegenen Fläche, bedeute. Tatsächlich wird an anderer Stelle in den Antragsunterlagen deutlich, dass es sich um einen „temporären“ Verzicht handelt und der Konzern sich eine gesonderte spätere Antragstellung für einen weiteren Abbau der westlichen Flächen vorbehält. Da löst sich dieser sogenannte Vorteil in Luft auf.
Aus diesem Kontext ergeben sich die folgenden Fragen:
- Warum werden die in der abgelaufenen Abbaugenehmigung vorgeschriebenen Renaturierungsmaßnahmen seitens der Behörden nicht durchgesetzt?
- Warum akzeptiert die Behörde eine derartige nachträgliche Reduzierung der Ausgleichsmaßnahmen zulasten der Natur?
- Welche Vorsorge wird getroffen, um zu verhindern, dass sich Konzerne ihren Renaturierungspflichten entziehen?
- Ist es überhaupt rechtens, vorgeschriebene Ausgleichmaßnahmen in diesem Umfang nachträglich zu reduzieren?
Eva Holm, 04.01.2021
Fotos: Bürgerprotest-Asphaltmischwerk-Wahlstedt
Die Antragsunterlagen finden Sie auf:
Widerspruch nur möglich bis zum 12.02.2021!
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre wichtigen Informationen zu dem neuen Genehmigungsantrag der Firma Wegener zum weiteren nassen Kiesabbau in Wahlstedt. Dass diese Firma ihren übernommenen Pflichten zur Renaturierung des Gebietes nicht nachkommt, stattdessen in 15 Jahren ein weiteres Loch in der Landschaft hinterlassen wird, mit dem niemand in Wahlstedt etwas anfangen kann – dies ist kritisch anzumerken. Es bleibt zu hoffen, das die Anwohner, die sich bereits vor 10 Jahren gegen den Kiesabbau gestellt hatten, wieder aktiv werden!
Mir ist bei Aufruf des von Ihnen beigefügten Link aufgefallen, dass die Antragsunterlagen lediglich bei der Stadtverwaltung Wahlstedt zur Ansicht ausliegen – jedoch nicht auch bei der federführenden Genehmigungsbehörde in Bad Segeberg. Nach der 9. BImSchV (Genehmigungsverfahren) ist diese behördliche Vorgabe zu beanstanden, denn die Akten müssen zur Einsicht für die Bürger auch bei dieser Behörde zugänglich sein, was nicht der Fall ist. Ob die Akteneinsicht überhaupt bei dem jetzt verschärften Corona-Kontaktverbot – das auch für den Behördenbesuch gilt – möglich ist, ist ebenfalls rechtlich zu hinterfragen.
Mit Gruß und danke für Ihr weiteres Engagement
Merlin